Dienstag, 15. Oktober 2013

Buchtipp: Georg Schramm - Lassen Sie es mich so sagen ...

Georg Schramm, Jahrgang 1949 und Diplom-Psychologe, ist ohne Frage ein großartiger Kabarettist. Mit seinem Repertoire aus Figuren, die in ihren hintergründig-hinterhältigen Charakterstudien sehr präzise ausgearbeitet und mit rabenschwarzen Witz getränkt sind, weist Schramm auf Zusammenhänge in der heutigen Welt hin, die sich lieber gerne im Nebel versteckt hätten. Gerade auch durch seine Figur Lothar Dombrowski, den Rentner mit der Eisenhand, spricht er viele heikle Themen an. Wenn Schramm nicht gerade auf der Bühne steht, hat er seine Zeit auch dafür genutzt ein Buch herauszugeben. In der vergangenen Woche habe ich "Lassen Sie es mich so sagen ... Dombrowski deutet die Zeichen der Zeit" gelesen. Dieses 268-seitige Buch wurde 2008 bei Heyne publiziert.

Schramm bedient sich für sein Buch bei einigen seiner Alter-Egos, die man auch schon durch seine TV Auftritte kennt. Der Rentner Lothar Dombrowski, der Sozialdemokrat August, Oberstleutnant Sanftleben sowie die rheinische Frohnatur Rüdi analysieren den Fluss an Aussagen und Taten der vermeintlich hoch verantwortlichen Personen und untersuchen deren Worte und Handlungen mit einem scharfen geschliffenen Messer, das alles dahingehend misst, ob es sittlich und moralisch standhaft bleiben kann.

Das Buch, welches eine Sammlung von verschiedenen Redebeiträgen und Ausschnitten aus scharfsinnigen Einschätzungen der Gegenwart beinhaltet, beginnt nicht, wie man es gewohnt ist, mit einer Einleitung, sondern steigt mit einer Rechtfertigung ein. Der Autor erklärt in diesem Abschnitt, wie er überhaupt auf die Idee gekommen ist, ein Buch zu verfassen. Anschließend folgt eine kleine Sammlung einiger von Dombrowskis Reden, welche er zu unterschiedlichen früheren Anlässen gehalten hat. Thematisch bewegen sie sich von der atomaren Bedrohung über Wohltätigkeitsveranstaltungen bis hin zur Hochzeit.Was Schramm schreibt, lässt sich nicht mehr mit reiner Satire oder Polemik beschreiben. Wie auch in seiner Bühnenarbeit verbindet Schramm in dem Buch politisches Kabarett auf höchstem Niveau mit einem unbändigen Willen zur Aufklärung. Es folgt ein Blick auf die Sozialdemokratie und deren stetigen Niedergang. An dieser Stelle tritt das Alter-Ego August auf, ein unverbesserlicher SPD-Sympathisant. Hier wird der Medienwechsel offensichtlich, denn ihre ganze Vielfalt kann diese Figur nur auf der Bühne zeigen.


In 15 Kapiteln wird der Leser über das große Feld der deutschen Geschichte geführt und wird dabei an so manch schon fast vergessenen Skandal oder Zusammenhang erinnert. Ob nun das Verhältnis Ost-Westdeutschland, die Tsunami-Katastrophe, die Bundeswehrauslands-"Einsätze", der Berliner Bankenskandal, Big Brother oder die PISA-Bildungsmisere - immer wieder werden deutschen Wunden aufgezeigt, die geleckt werden müssen. In seiner gekonnten verbalen Akribie stellt Schramm einen unerwarteten Kontext her, lässt dabei auch Fragen offen oder entschuldigt sich für seine beißende Polemik, doch nie nimmt er ein Blatt vor den Mund.

In diesem Buch werden die Alter-Egos Schramms bei unterschiedliche Auftritte bei verschiedenen Anlässen wiedergegeben. Wobei ich sagen muss, dass mir bei den Reden, besonders beim Sozialdemokraten August, einfach die Stimme der jeweiligen Figuren gefehlt hat. Ein Buch ist eben nicht live und ein Text, der primär für die Bühne geschrieben wurde, entfaltet gedruckt eine leicht eingeschränkte Wirkung, wenn ihm Mimik, Gestik und vor allem die spezielle Stimme und Sprechart des jeweiligen Alter-Egos fehlen. Dies wirkt wie eine angezogene Handbremse und der Text braucht etwas länger um in Fahrt zu kommen.

Natürlich thematisiert Schramm auch den unvergessenen Auftritt zum Abschied von Dieter Hildebrandt und dem Format "Scheibenwischer". Auffällig aktuell bleibt dem Leser dabei der Satz: "Diese Politkasperle dürfen auf der Bühne der öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten bei den Klofrauen Christiansen und Illner ihre Sprechblasen entleeren, und wenn es nach Verrichten ihrer intellektuellen Notdurft noch nachtröpfelt, dann können sie sich noch bei Beckmann und Kerner an der emotionalen Pissrinne unters Volk mischen!" (S. 145) im Gedächtnis, denn zeigt er doch auf, wie die Zuschauer, auch oftmals der öffentlich-rechtlichen Sender, im Sinne des Geldes für dumm verkauft werden und mit anscheinender Medialdemokratie ruhig gestellt werden.


Auch wenn man nicht jedem seiner Texte zustimmt und nicht jede Schlussfolgerung teilt, so kann man sich als Leser über die Seiten hinweg von dem Stilmittel der guten Polemik unterhalten lassen. Die immer wieder eingestreuten Hintergrundinformationen offenbaren Zusammenhänge und verweisen auf so manche skurrile Begebenheit. Schramm hat mit diesem Buch ein empfehlenswertes Werk der modernen Satire geschrieben, in dem er unverblümt die bitteren Wahrheiten aufzeigt. Wer Georg Schramm kennt, weiß welche geschliffenen Pointen zwischen diesen Buchdeckeln auf ihn zukommt. Wer ihn bisher noch nicht kannte, wird und muss ihn kennenlernen. 

schönen Gruß
=)

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