Dienstag, 29. Oktober 2013

Martinsmarkt in Rostock 2013

Draußen fliegen die bunten Blätter herum und drinnen schnattern die Gänse. Jedenfalls vor ein paar Tagen bei uns in der Nikolaikirche. Etwa 40 ausgesuchte Kunsthandwerker haben dort in Hülle und Fülle ihre von Hand hergestellten Waren ausgestellt und angeboten. Einigen Handwerkern konnte man sogar direkt dabei zuschauen, da sie einiges an Arbeitszeug mit zum Stand genommen hatten. Mich persönlich hat ein junges Mädchen begeistert, dass hinter dem Stand ihrer Mutter saß und weiter fleißig an diversen Mützen gehäkelt hat. Ich gehe jedes Jahr immer wieder gerne auf diesen Markt, es gibt so viel zu sehen und auch immer neue Inspirationen für die eigenen Arbeiten.

Angeboten wurdem auf dem Martinsmarkt unter anderem Haushaltskeramik, Produkte aus Schafswolle, selbst genähte Ledertaschen, Silber-, Glasperlen- und Bernsteinschmuck, Holzskulpturen, Aquarelle, gefilzte, gehäckelte, genähte und gestrickte Sachen, selbstgemachte Marmeladen und Pesti, eine Menge Seifen in den unterschiedlichsten Gerüchen, Farben und Formen ... All der zusammen ergab wieder mal einen sehr interessanten Markt. Nur leider finden das auch 'seltsamerweise' andere Menschen auch und so ist die Nikolaikirche oft sehr voll ;)

roter Sternensegen

Leider habe ich dieses Jahr den Laternenumzug zum Beginn des Marktes verpasst, welcher von einem als Soldaten verkleideten Kind auf einem Pferd angeführt wird. Dieses Kind soll an die alte Legende des Heiligen Martin erinnern. Dafür gab es am Freitag und am Samstag während des Nachmittagkaffees eine Untermalung mit klassischer Musik. Es ist wohl auch nicht verwunderlich, dass die Ecke, in der es etwas zu essen gab, diejenige mit der höchsten "Besatzungsdichte" war.

Mausefalle

Martinsgänse

Womit ich mich immer nicht so anfreunden kann, ist das Austellen lebender Tiere auf solchen Märkten. Auch dieses Jahr wurden wieder zwei Gänse eines Gänsehofes ausgestellt, sozusagen als Apettithappen für die Weihnachtsgans, die man dort auch gleich bestellen kann. Ich weiß nicht, wie lange die beiden Gänse in diesem, ähm, Gehege saßen, aber Gänse sind vitale und bewegungsfreudige Tiere. Ich glaube kaum, dass es den beiden sehr gefallen hat.

Glasengel

Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich schon um diese kleinen Engel herumlaufe. Jedes Mal schaue ich sie mir an und jedes Mal denke ich mir, dass ich zwar gerne einen hätte, aber dann überlege ich mir, wozu ich ihn brauche. Ich schau diese kleinen süßen Engelchen gerne an, es gibt ja auch so viele verschiedene Varianten von ihnen. Bald ist ja auch wieder Weihnachtsmarkt, vielleicht kauf ich mir dann endlich mal so einen kleinen Glaswicht. Weiß gerade gar nicht, wo sie preislich liegen, ist je nach Größe und Umfang gestaffelt. Aber wie an der Unordnung zu sehen ist, gibt es viele, die sich für diese kleinen Figuren interessieren.

festliche Kerzen 
Was es wohl für eine Arbeit ist, solch eine Kerze herzustellen? Zum Abbrennen sind sie nach der Arbeit sicherlich zu schaden, wobei sie durch die Aushölung ja auch bestimmt nicht richtig abbrennen würden. Allerdings, wenn man so eine Kerze zur Hochzeit bekommt, dann stellt man sie sich ins Regal oder später in irgendeinen Karton, aber brennt sie sicherlich nicht ab.

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Holzskulpturen 
Was ist das eigentlich momentan mit diesem Eulenwahn? Überall gibt es fast nur Eulen zu kaufen. Ob auf Stoff oder hier als Skulptur. Ich mag Eulen, aber warum ist sie momentan zu einem Modetier 'verkommen'?

hangemachte Seifen 
handgemachte Seifen
Wenn ich nicht schon so viele Seifen aktuell daheim hätte, hätte ich hier wohl wieder mal das eine oder andere Stück gekauft. Auch, wenn nicht alle Stücke vegan sind, so gibt es dennnoch eine gute Auswahl und bisher habe ich mit diesen Stücken nur gute Erfahrungen gemacht. Meine Haut ist nicht wirklich anspruchsvoll, aber ich erlebe oft, dass Flüssigseifen zu aggressiv für meine Haut sind. Oft genug habe ich danach das Gefühl, dass ich meine Hände dann ganz dringend eincremen muss. Wenn ich allerdings ein Seifenstück verwende, dann habe ich das Bedürfnis nicht. Vielleicht liegt es am verwendeten Öl, vielleicht an den oft doppelt eingesetzten Tensiden ...

Bernsteinschmuck 
Bernstein. Das Gold des Meeres gibt es in fast weiß bis ins strahlende Grün. Ich stehe zwar nicht so auf Edelsteine und solches Gefunkel, aber Bernsteine sind da eine Ausnahme. Auch wenn Bernstein ja eigentlich, so ganz genau genommen, kein Edelstein, sondern ein Schmuckstein aus fossilem Harz ist. Der älteste bekannte Bernstein ist 310 Millionen Jahre alt. Einfach unvorstellbar alt. Je nach Fundort und Herkunftswald gibt es eine ganze Menge unterschiedlicher Kategorien, die aber so umfassend sind, dass sie außer Fachleuten sicherlich niemanden interessieren.

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schönen Gruß
=)

Montag, 21. Oktober 2013

Pappbecher oder Tasse, oder: wo ist der Genuss geblieben?

Ich konnte den Hype um Kaffee und die verschiedenen Mixprodukte noch nie so ganz verstehen. Mag auch daran liegen, dass mir das schwarze Getränk einfach nicht schmeckt. Ich glaube, ich habe in meinem Leben, wenn man alle Probierschlückchen mal zusammenfasst, noch nicht einmal eine ganze Tasse "normalen" Kaffee getrunken. Oder vielleicht gerade so eine Tasse. Aber darüber wollte ich hier auch gar nicht schreiben. Es geht mir viel mehr um die sich entwickelnde oder bereits entstandene Coffee/Tea/Kakao-to-go-Kultur.

Gerade Kaffee und Tee sind Getränke, die nicht primär zum Durstlöschen gedacht sind, sondern um sich einwenig vom Stress zu erholen und ruhiger zu werden. Sie laden doch viel eher zum Genießen ein. Wie lässt sich dieser Gedanke mit einem Pappbecher mit Plastedeckel vereinen? Erinnert dieser doch eigentlich auch viel eher an eine Nuckelflasche oder gar Schnabeltasse. Und aus dem einen Alter bin ich schon längst raus und in das andere Alter komme ich noch längst nicht rein. Zumal meine Eltern auch Zeit darauf verwendet haben, mir das Trinken aus einer Tasse beizubringen. Natürlich zwingt einen die Tasse an Ort und Stelle zu verweilen. Man kann nicht großartig damit durch die Gegend laufen, vielleicht nebenbei noch einen Schaufensterbummel machen und dabei was trinken. Ein Irgendwas-to-go ist eine Möglichkeit wieder einmal etwas schnell nebenbei zu machen. Heute macht man jedoch vieles schnell nebenbei. Vor allem leider auch Essen und Trinken. Zumal meiner Erfahrung nach das Getränk nach einer Weile auch einen seltsamen Geschmack annimmt.


Coffee-to-go hat sich dabei zu einer eigenenständigen Kultur entwickelt, in der zu oft überzogenen Preisen oft zu heiße Becher mit oft nicht richtig schließenden Deckeln kombiniert werden. Ich persönlich mag es nicht, an einem Plastedeckel herumzunuckeln, der schon längere Zeit irgendwo im Geschäft herumlag und dabei durch verschiedenen Hände und über verschiedene Oberflächen ging. Und wenn das Getränk dann konsumiert ist, bleibt der Müll, den leider einige einfach so irgendwo stehen- oder liegenlassen. Bei uns gibt es allein um den Uniplatz herum mindestens fünf Möglichkeiten ein Irgendwas-to-go zu bekommen, und genau das erkennt man dann leider auch am Platz um die Mülleimer herum, die durch diese Becher schnell überfüllt sind und deren Inhalt sich dann um die Eimer herum ausbreitet. Wenn der leere Becher überhaupt den Weg in die Nähe eines Mülleimers findet. Viele werden nach Beendigung ihres Dienstes auch einfach irgendwo stehengelassen und ausgesetzt.



Natürlich verschmähte ich während meiner Studienzeit selbst einen Tee besonders am frühen Morgen nicht. Besonders auch, wenn die erste Vorlesung im tiefsten Winter kurz nach 7 Uhr begann. Allerdings war ich ein Freund der guten alten Thermoskanne, gefüllt mit selbstaufgesetzten Tee (Für Menschen ohne die nötige Zeit sind Thermosbecher vielleicht eine Alternative). Eine Eigenart, die ich in Zeiten der fragwürdigen Qualität mancher Teeangebote auch gerne beibehalte. In vielen Teebeuteln, auch der preisintensiveren Sorten, sind heute Aromabeigaben zugemixt. Leider war das früher mein Einstieg in den Tee und ich habe lange Zeit selbst gedacht, dass Tee eigentlich nur heißes Wasser mit Geschmack ist. Bis ich auf wirklichen Tee gestoßen bin und mir unter anderem einmal Pfefferminztee aus reinen getrockneten Blättern aufgegossen habe. Was war das für ein geschmacklicher Unterschied. Erst dann wurde mir bewusst, dass Tee, und für manche Leute auch Kaffee, ein Symbol für Kultur, Geschmack und Wärme ist. Wie lässt sich das alles in einen Pappbecher mit Nuckelplastedeckel quetschen?

schönen Gruß
=)

Dienstag, 15. Oktober 2013

Buchtipp: Georg Schramm - Lassen Sie es mich so sagen ...

Georg Schramm, Jahrgang 1949 und Diplom-Psychologe, ist ohne Frage ein großartiger Kabarettist. Mit seinem Repertoire aus Figuren, die in ihren hintergründig-hinterhältigen Charakterstudien sehr präzise ausgearbeitet und mit rabenschwarzen Witz getränkt sind, weist Schramm auf Zusammenhänge in der heutigen Welt hin, die sich lieber gerne im Nebel versteckt hätten. Gerade auch durch seine Figur Lothar Dombrowski, den Rentner mit der Eisenhand, spricht er viele heikle Themen an. Wenn Schramm nicht gerade auf der Bühne steht, hat er seine Zeit auch dafür genutzt ein Buch herauszugeben. In der vergangenen Woche habe ich "Lassen Sie es mich so sagen ... Dombrowski deutet die Zeichen der Zeit" gelesen. Dieses 268-seitige Buch wurde 2008 bei Heyne publiziert.

Schramm bedient sich für sein Buch bei einigen seiner Alter-Egos, die man auch schon durch seine TV Auftritte kennt. Der Rentner Lothar Dombrowski, der Sozialdemokrat August, Oberstleutnant Sanftleben sowie die rheinische Frohnatur Rüdi analysieren den Fluss an Aussagen und Taten der vermeintlich hoch verantwortlichen Personen und untersuchen deren Worte und Handlungen mit einem scharfen geschliffenen Messer, das alles dahingehend misst, ob es sittlich und moralisch standhaft bleiben kann.

Das Buch, welches eine Sammlung von verschiedenen Redebeiträgen und Ausschnitten aus scharfsinnigen Einschätzungen der Gegenwart beinhaltet, beginnt nicht, wie man es gewohnt ist, mit einer Einleitung, sondern steigt mit einer Rechtfertigung ein. Der Autor erklärt in diesem Abschnitt, wie er überhaupt auf die Idee gekommen ist, ein Buch zu verfassen. Anschließend folgt eine kleine Sammlung einiger von Dombrowskis Reden, welche er zu unterschiedlichen früheren Anlässen gehalten hat. Thematisch bewegen sie sich von der atomaren Bedrohung über Wohltätigkeitsveranstaltungen bis hin zur Hochzeit.Was Schramm schreibt, lässt sich nicht mehr mit reiner Satire oder Polemik beschreiben. Wie auch in seiner Bühnenarbeit verbindet Schramm in dem Buch politisches Kabarett auf höchstem Niveau mit einem unbändigen Willen zur Aufklärung. Es folgt ein Blick auf die Sozialdemokratie und deren stetigen Niedergang. An dieser Stelle tritt das Alter-Ego August auf, ein unverbesserlicher SPD-Sympathisant. Hier wird der Medienwechsel offensichtlich, denn ihre ganze Vielfalt kann diese Figur nur auf der Bühne zeigen.


In 15 Kapiteln wird der Leser über das große Feld der deutschen Geschichte geführt und wird dabei an so manch schon fast vergessenen Skandal oder Zusammenhang erinnert. Ob nun das Verhältnis Ost-Westdeutschland, die Tsunami-Katastrophe, die Bundeswehrauslands-"Einsätze", der Berliner Bankenskandal, Big Brother oder die PISA-Bildungsmisere - immer wieder werden deutschen Wunden aufgezeigt, die geleckt werden müssen. In seiner gekonnten verbalen Akribie stellt Schramm einen unerwarteten Kontext her, lässt dabei auch Fragen offen oder entschuldigt sich für seine beißende Polemik, doch nie nimmt er ein Blatt vor den Mund.

In diesem Buch werden die Alter-Egos Schramms bei unterschiedliche Auftritte bei verschiedenen Anlässen wiedergegeben. Wobei ich sagen muss, dass mir bei den Reden, besonders beim Sozialdemokraten August, einfach die Stimme der jeweiligen Figuren gefehlt hat. Ein Buch ist eben nicht live und ein Text, der primär für die Bühne geschrieben wurde, entfaltet gedruckt eine leicht eingeschränkte Wirkung, wenn ihm Mimik, Gestik und vor allem die spezielle Stimme und Sprechart des jeweiligen Alter-Egos fehlen. Dies wirkt wie eine angezogene Handbremse und der Text braucht etwas länger um in Fahrt zu kommen.

Natürlich thematisiert Schramm auch den unvergessenen Auftritt zum Abschied von Dieter Hildebrandt und dem Format "Scheibenwischer". Auffällig aktuell bleibt dem Leser dabei der Satz: "Diese Politkasperle dürfen auf der Bühne der öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten bei den Klofrauen Christiansen und Illner ihre Sprechblasen entleeren, und wenn es nach Verrichten ihrer intellektuellen Notdurft noch nachtröpfelt, dann können sie sich noch bei Beckmann und Kerner an der emotionalen Pissrinne unters Volk mischen!" (S. 145) im Gedächtnis, denn zeigt er doch auf, wie die Zuschauer, auch oftmals der öffentlich-rechtlichen Sender, im Sinne des Geldes für dumm verkauft werden und mit anscheinender Medialdemokratie ruhig gestellt werden.


Auch wenn man nicht jedem seiner Texte zustimmt und nicht jede Schlussfolgerung teilt, so kann man sich als Leser über die Seiten hinweg von dem Stilmittel der guten Polemik unterhalten lassen. Die immer wieder eingestreuten Hintergrundinformationen offenbaren Zusammenhänge und verweisen auf so manche skurrile Begebenheit. Schramm hat mit diesem Buch ein empfehlenswertes Werk der modernen Satire geschrieben, in dem er unverblümt die bitteren Wahrheiten aufzeigt. Wer Georg Schramm kennt, weiß welche geschliffenen Pointen zwischen diesen Buchdeckeln auf ihn zukommt. Wer ihn bisher noch nicht kannte, wird und muss ihn kennenlernen. 

schönen Gruß
=)

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Respekt und Toleranz - Wie viel Menschlichkeit tragen wir in uns?

"In keiner Weise dürfen wir uns dazu bewegen lassen, die Stimme der Menschlichkeit in uns zum Schweigen bringen zu wollen. Das Mitfühlen mit allen Geschöpfen ist es, was den Menschen erst wirklich zum Menschen macht." (Albert Schweitzer)

Jeder, der vegetarisch oder vegan lebt, wird es kennen. Das Gespräch läuft angenehm, aber dann erwähnt man irgendwann beiläufig das man so lebt oder wird beim Essen darauf angesprochen und schon wird man in eine Schublade gesteckt. Man wird nicht mehr als normaler Mensch gesehen, sondern als Freak, Dogmatiker oder einfach als unnormal/seltsam. Je nach Charakter des Gegenübers bekommt man nun von angeblich lustig gemeinten Seitenhieben bis hin zu interessierten Fragen alles angeboten. Bei mir ging es unter anderem so weit, dass ich bei einem Adventskaffee eine etwas lautere Auseinandersetzung mit meinem Onkel hatte. Als er erfahren hatte, dass in einigen Kekse (nämlich denen von mir gebackenen) weder Milch, Eier oder Butter enthalten waren, musste ich mir anhören warum ich "diesen Scheiß" immernoch mache. Das wäre total unnormal und meine Ärztin hätte mir schließlich davon abgeraten. Mal abgesehen davon, dass ich nicht weiß, woher er weiß was meine Hausärztin angeblich gesagt haben soll, verstehe ich nicht, wie sich Menschen dermaßen auf den Fuß getreten fühlen können. Einfach nur, weil sie auf andere Menschen treffen, die anders sind. So anders, dass sie es offenbar nicht akzeptieren können. 

Natürlich gibt es auf beiden Seiten Menschen, die Probleme in den Bereichen Toleranz und Akzeptanz aufweisen. Aber ist dies eine Begründung für miese Sprüche und Pöbeleien? Menschen wenden sich aus ganz verschiedenen Gründen der vegetarischen oder veganen Lebensweise zu. Aber besonders der ethisch/moralisch bedingte Zweig äußert sich gerne zu diesem Thema. Gerade auch, weil die Tiere, die sie nicht (weiter) ausbeuten möchten, sich selbst nicht äußern können. Diese Menschen sind, wenn man so will, die Stimme der Stimmlosen. Ihre Meinung äußern sie durch ihren Lebenstil und dem, was sie anderen Menschen erzählen. Eigentlich geht jeder so vor. Jeder lebt so, wie er es für richtig hält und teilt das auch mit. Natürlich gibt es dabei auch ein paar übereifrige Vertreter. Die gibt es auf beiden Seiten. Aber rechtfertigt das dieses pöbelnde Verhalten?

Wald im Nebel

Ein Moralaposten mit erhobenen Zeigefinger stößt schnell auf Widerstand. Niemand lässt sich gerne sagen, dass seine Weltsicht verkehrt ist. Aber, wenn ich etwas für falsch erachte, was soll ich dann machen? Wenn ein Kind vor meinen Augen geschlagen wird, soll ich weiter zusehen und denken: "Es ist ja nicht mein Kind." Nach der Devise leben: "Naja, ich würd das jetzt nicht mit meinem Kind machen, aber wenn Du Dein Kind so prügeln willst akzeptiere ich das natürlich, jeder lebt halt so wie er will!?" Oder soll ich denjenigen von seiner Tat abhalten? Wenn ein Tier vor meinen Augen oder in meinem Wissen missbraucht, misshandelt, gequält wird, soll ich weiter zusehen und denken: "Es ist ja nur ein Tier." Oder soll ich versuchen wenigstens durch meine Lebensweise dieses Verhalten so wenig wie möglich zu fördern? Tiere werden in unvorstellbaren Mengen gequält und getötet, damit wir sie gedankenlos konsumieren können. Ich weiß, dass einige diesen Vergleich so nicht akzeptieren können. Für sie ist ein Kind ein Mensch und ein Tier nur ein Tier. Ihrer Ansicht nach steht ein Mensch über dem Tier. Wir sind sozusagen die Herrscher. Eine Sicht, die ich noch nie nachvollziehen konnte.

Biologisch gesehen stehen wir alle auf einer Stufe. Ohne unsere Kultur ständen wir sogar noch weit unter einigen Tieren. Die immer wieder versuchten Alleinstellungsmerkmal lösen sich nach und nach auf. Einst hieß es, der Mensch definiert sich unter anderem durch bewussten Werkzeuggebrauch, Sprache oder ein Ich-Bewusstsein. Es ist längst nachgewiesen, dass es dafür genüngen Beispiele im Tierreich gibt. Affen und Vögel verwenden Werkzeuge, Erdmnännchen kennen je nach Art des Feindes verschiedene Alarmlaute, Delfine haben den Test zum Ich-Bewusstsein ohne Probleme bestanden. Der einzig greifbare Unterschied zwischen Mensch und Tier ist doch eigentlich nur, dass wir die Zeit verstehen. Wir können vom Gestern, Heute oder Morgen reden. Wir können langfristig planen und darauf aufbauen. Auf dieser Grundlage hat sich nach und nach das entwickelt, was wir heute "Kultur" nennen. Aber rein vom biologischen Standpunkt betrachtet sind wir immernoch gleich. Wir haben alle ein Zentrales Nervensystem in verschiedener Ausprägung, wir fühlen Schmerz, möchten ein glückliches Leben. Möchten leben.

Sonnenblume

Warum soll dann ein Menschenleben mehr wert sein als ein Tierleben? Kinder und Tiere benötigen unseren Schutz gleichermaßen, da sie ihre möglichen Peinigern oft schutzlos ausgeliefert sind. In der heutigen Gesellschaft ist Gewalt gegen Kinder mittlerweile eine Straftat und wird von der Allgemeinheit auch nicht mehr akzeptiert. Vor nicht allzulanger Zeit, war es dagegen noch normal, dass Eltern ihren Kindern schlugen. Dazu sagte niemand etwas, denn "eins hinter die Löffel bekommen" hatte schließlich noch niemanden etwas geschadet. Natürlich sollten Tiere nicht vermenschlicht werden. Sie sind, obwohl uns doch so ähnlich, jeweils eine eigenständige Art/Rasse/Persönlichkeit. Aber bedeutet das, dass der Mensch damit das Recht hat sich selbst über andere Lebewesen zu stellen? Hat er damit das Recht diese anderen Lebewesen wie es ihm gefällt auszubeuten? Sie nur noch als Profit und nicht mehr als Lebewesen zu sehen?

Ein ethisch/moralisch motivierter Veganer sieht sich in einer Welt, in der Gewalt an den Schutzlosen ein normaler Punkt auf der Tagesordnung ist. Sein Ziel ist es darauf aufmerksam zu machen. Das Leid sichtbar zu machen. Es gibt Menschen, die demonstrieren gegen Atomkraft. Es gibt Menschen, die demonstrieren gegen Datenspeicherung. Es gibt Menschen, die demonstrierten gegen eine Mauer mitten im Land. Es gibt Menschen, die demonstrieren gegen die Misshandlung der Tiere. Nach den Demonstrationen möchten sie aber größtenteils einfach "normal" leben. Es gibt schließlich noch andere Themen auf der Welt mit denen man sich noch beschäftigen muss/will. Ständig anzuecken und alles zu hinterfragen ist unbequem. Vor allem für die, die gerne die rosa Brille tragen. Aber können sie wirklich Menschen dafür verachten, dass diese für eine Sache, hinter der sie stehen, an die sie glauben, die in ihren Augen Unrecht ist, kämpfen?

Der Weg der emotionalen Anklage, den einige Vegetarier/Veganer gerne einschlagen, hat zwar einen guten Ausgangspunkt, erreicht aber leider nur sehr selten das was er soll. Viel zu oft wird er vom Gegenüber als Anklage verstanden, auf die natürlich mit entsprechendem Abwehrverhalten und Trotz reagiert wird. Der an den Tag gelegte missionarische Eifer wirkt dann oft befremdlich. Und der Angesprochen weigert sich dann auch oft das Thema durch gezieltes Nachdenken zu vertiefen. Ich halte es aber für sehr wichtige sein Gegenüber zum Nachdenken zu bringen, denn nur so kann er seinen eigenen Standpunkt hinterfragen und dann auch ändern. Sich als Veganer auf "normale" Gespräche einzulassen bedeutete aber, immer wieder die selben Fragen zu hören. Wo bekommst Du Deine Proteine her? Was isst Du überhaupt noch? Hast Du noch keinen Eisenmangel? ... Man kann sich noch so oft vornehmen immer brav und ausführlich die Fragen zu bewantworten, wenn man zum hundersten Mal die gleiche Frage gestellt bekommt muss man einfach die Augen verdrehen.

Rostocker Rosengarten im Herbst

Wie bereits schon oben erwähnt, gibt es aber auch einige fleischessende Menschen, die sich offenbar von vegetarisch oder vegan lebenden Menschen allein durch ihre Existenz angegeriffen fühlen. Ich persönlich habe bereits mehrmals erleben "dürfen", wie zum Beispiel bei einem Grillfest mir eine Bratwurst mit "Hmmm ... Schau mal wie lecker die aussieht!" direkt unter die Nase gehalten wurde und dann ganz demonstrativ langsam davon abgebissen wurde. Fleischesser können sich nicht davon freisprechen ebenfalls missionierende Wege einzuschlagen. Aus irgendeinem Grund fühlen sich auch immer mindestens einer von ihnen dazu genötigt sich zu rechtfertigen, mich anzugehen, warum ich denn gerade Fleisch essen sollte oder all das aufzuzählen, an dem ich seiner Meinung nach erkranken werde. Das interessante dabei ist, wenn ich direkter nachfrage, was mir denn genau fehlen sollte, offenbart sich, dass kaum einer von ihnen wirklich Ahnung von zum Beispiel Nährstoffen hat. Sie machen sich Sorgen über meinen Vitamin-D-Haushalt oder Proteinaufnahme, wissen aber nichts über Herkunft, Vorkommen und Wirkung.

Was bringt es uns eigentlich, wie zwei ausgewachsene Mufflonböcke die Köpfe immer wieder gegeneinander zu schlagen? Beide Seiten sollten aufeinander zu gehen. Nicht-Veganer sollten einfach mal ausprobieren, wie vielseitig und schmackhaft veganes Essen ist und Vegetarier/Veganer sollten weniger "Moralaposten" spielen, sondern einfach zeigen, das vegan weder kompliziert ist noch ein Leben mit Einschränkungen bedeutet.


schönen Gruß
=)