Sonntag, 1. September 2013

Sedletz Ossarium in Kutná Hora, oder: Wo die vielen Knochen sind

Vergangnes Jahr sind wir im Urlaub einmal nach Kutná Hora in der Tschechischen Republik gefahren. Irgendwann hatte ich von dem Beinhaus dort gehört und den unzähligen Knochen. Soetwas musste ich mir ansehen.Für manche mag es gruselig sein, aber ich finde soetwas immer sehr faszinierend.

Die kleine Stadt Kutná Hora mit seinen knapp 22.000 Einwohnern liegt fast mitten in Tschechien, in Mittelböhmen. Ungefähr 70 km entfernt von Prag. Um 1142  wurde das Kloster Sedletz gegründet, das sich immer mehr vergörßerte und aus der Siedlung ging die Stadt hervor.Früher war sie mal eine recht große Stadt und hatte durch reichen Bergbau einige Schätze angehäuft. Dann kamen 1420 die Hussitenkriege und die Hälfte der Einwohnerschaft wurde ermordet. Soviel zum geschichtenlich Stadtexkurs.

Knochenpyramide

Ich wollte mir also unbedingt dieses Beinhaus ansehen. Ein Beinhaus (auch: Ossuarium von os - Knochen) ist ein überdachter Raum, Gebäude etc., in dem die Gebeine diverser Toter aufbewahrt werden. Im Sedletz Ossarium gibt es nicht nur viel zu sehen, sondern es hat auch eine recht interessante Geschichte.

Ein Zisterzinsermönch hatte in dieser Kapelle sechs Berge aus den Knochen von ungefähr 40.000 menschlichen Skeletten gestapelt. Dabei waren die Knochen systematisch sortiert worden und stammten größtenteils aus den aufgelösten Gräbern des Klosterfriedhofs Sedlec in Kutná Hora von Pestopfern oder Gefallenen der Hussitenkriege.  Der Friedhof ist übrigens einen kleinen Spaziergang wert. Die böhmische Fürstenfamilie Schwarzenberg von Orlik kaufte 1866 das Klostervermögen samt der Kapelle und stand nun vor der Frage, wohin mit all den Gebeinen? Die Familie beauftragte vier Jahre nach dem Kauf den Holzschnitzer und Schreiner František Rint aus Skalice. Dieser schuf aus den Gebeinen und Schädeln die "Knochenkirche" von Kutná Hora.

Schädel und Geld

Zwei der sechs Berge trug er ab, die vier übrigen ließ er in den jeweiligen Ecken bestehen. Mit den abgetragenen Knochen erschuf er größtenteils die Innenraumgestaltung.  Zuvor aber behandelte er alle Knochen mit Chlorkalk um sie länger haltbar zu machen. Aus den restlichen Knochen wurde das überwiegend kirchliche Inventar gestaltet wie Kelche, Monstranzen, Leuchter, Altar- und Prozesionskreuze und Schädelpryramiden in Glockenform. Sicherlich wird jeder solche Gegenstände kennen, aber aus Knochen gebildet sind sie anders. Durch die Verwendung der Gebeine zeigt sich das Vergängliche. Den sonst so heiligen Gegenständen wird auf diese Art und Weise auch die Strenge genommen. In der Broschüre  wird das so erklärt:

Dieses Werk ist kein Selbstzweck, jahrzehntelang demonstriert es den Besuchern die Beschränktheit des menschlichen Lebens und den Tod und fördert somit das harmonische Zusammenleben der Menschen und führt die Menschen dazu, das Leben zu achten und sich seiner Verantwortung dem Gott gegenüber bewusst zu werden.

Zwei sehr interessante Werke in dem Beinhaus sind die Knochenlüster und das Wappen der Familie Schwarzenberger. Bei dem Lüster handelt es sich um einen riesigen Kronleuchter, der in der Mitte des Gewölbes hängt.Es heißt, an ihm sollen alle 206 Knochen eines Menschen verarbeitet sein. Das Wappen der Familie Schwarzenberg von Orlik beeinhaltet ein etwas seltsames Detail. Man sieht einen Türkenkopf, dem ein Rabe fleißig ein Auge auspickt. Das geht auf den Sieg von Adolf von Schwarzenberg 1598 über die Türken zurück, in dessen Folge er vom Kaiser Philipp II.in den Reichsgrafenstand erhoben wurde und sein Wappen mit eben diesem Raben erweitern durfte.

Wappen der Familie Schwarzenberg

 Das Beinhaus ist nicht sehr groß. Es ist in einer Kreuzform gehalten und misst vielleicht ungefähr 70qm. Trotzdem sind die Gegenstände dort so detailreich und interessant, dass man, wenn man alles aufmerksam betrachtet und auch fotografieren möchte, locker über eine Stunde dort verbringen kann. Wer dazu Ruhe benötigt, sollte recht früh gegen 8 Uhr zum Gewölbe gehen. Am späten Vormittag strömen nach und nach die Touristengruppen in das Gebäude. Der Eintritt liegt übrigens bei 90 Kcs,was umgerechnet ungefähr 3,50 Euro sind. Die Fotoerlaubnis ist in diesem Preis bereits inbegriffen. Am Eingang gibt es übrigens noch unzählige Souvenire zu kaufen. Die Preise bewegen sich in einem durchaus normalen Rahmen.

Lüster

Wenn man dieses Gewölbe besuchen möchte, sollte man auf jeden Fall eine gute Straßenkarte von Tschechien haben. Die Strecke ist zwar stellenweise gut auf der Autobahn zu schaffen, aber bis dahin und später auch von dort ab gibt es Landstraßen die ihren Namen stellenweise nicht verdient haben. Ab und an kam ein kleines Dorf oder ein, zwei Häuser vorbei, wo ich nicht sicher sagen konnte, ob da noch jemand drin lebt. Die Landschaft in Tschechien außerhalb der großen Städte ist für Fotografen ein Traum. Man hätte mich dort mit Kamera und Stativ theoretisch aussetzen können und ich wäre jetzt noch nicht fertig. Gerade diese kleinen Dörfer und Häuschen, so sehr sie einem auch befremdlich vorkommen, hätten wunderbare Motive abgegeben. Aber wir wollten ja fahren und nicht überall anhalten. Mir wird sowieso schon immer gesagt, dass, wenn ich die Kamera in der Hand habe, wir nicht vorankommen ^^

Wappen der Familie Schwarzenberg

Neben den Karten ist auch eine gute Portion Geduld von Vorteil, da das Ossarium mitten in der Stadt liegt und von Ortsunkundigen (so wie uns ^^) erst gesucht werden will. Nachdem wir etwas im Kreis gefahren waren, konnten wir zum Glück ein paar nette Polizisten fragen, von denen einer Englisch konnte und die zeigten uns den Weg. Wir waren schon in der Nähe des Beinhauses, aber da es mitten in der Stadt war und da natürlich überall Wohnhäuser standen, fiel das Gebäude hinter seinen Mauern kaum auf. Es ist nicht sehr groß und wird von den anderen Häusern leicht überragt. Wir haben unser Auto an der alten Kirche Mariä Himmelfahrt geparkt, die nur ein paar Gehminuten vom Beinhaus entfernt ist. Am Beinhaus selbst gibt es so gut wie keine Parkmöglichkeiten. Es gab auch einen großen Parkplatz etwas neben der Kirche, aber auf dem fand zu der Zeit eine Art von Jahrmarkt statt. Irgendwo in der Nähe gibt es aber auch einen Bahnhof. Falls man lieber ohne Auto unterwegs sein möchte. Es soll ja solche Leute geben.

Schädel und Gebeine

In Kutná Hora selbst ist vieles auf die historische Zeit ausgelegt. Die Altstadt gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und das wird natürlich von den Marketing- und PR-Menschen verwendet. Einen kleinen Spaziergang kann man in der Stadt ruhig einplanen, wenn man die nötige Zeit dafür hat. Neben der bereits erwähnten Kirche von 1320, die zu den bedeutensten frühen Kirchenbauwerken in Böhmen gehört und im Stil des französischen Kathedralentyps erbaut wurde, kann man in Kutná Horan noch so einiges an historischen Bauwerken bestaunen. Und da die Stadt nur ungefähr drei Kilometer im Durchmesse misst, kann man das alles gut zu Fuß erledigen ;) Da gibt es das Hrádeck, das tschechische Silbermuseum, Führungen durch die 1620 aufgegebenen Silberminen, den Welschen Hof, früher Münzprägestätte und danach königliche Residenz, den Dom der heiligen Barbara, eines der außergewöhnlichsten gotischen Kirchenbauten in Mitteleuropa und ebenfalls auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste, der Steinerne Brunnen, eine öffentliche Wasserentnahmestelle aus dem 15. Jahrhundert und und und
Wir waren nur einen Nachmittag da, aber ich glaube, wenn man sich alles anschauen wollen würde, könnte man dort gut eine ganze Woche verbringen.

Kelch aus Gebeinen

Für mich sind Fahrten nach Tschechien immer wieder ein kleines Erlebnis. Meine Oma stammt aus Tschechien. Sie ist dort aufgewachsen und wurde dann, wie alle Deutschen dort, vertrieben. Allerdings hat sie bisher nie über Tschechien gesprochen. Vielleicht versuche ich durch meine Touren mir dieses Land selbst etwas zu erschließen, ich kann es nicht genau sagen. Aber ich mag die Tschechische Republik. Und es ist keines der Länder, die gerne interessant hochgehalten werden wie Japan, Schweden oder die USA ;)

Schädel und Gebeine

schöne Grüße =)

2 Kommentare:

  1. Die unzählbaren Knochen hast du aber schon gezählt, oder? Falls nicht, husch husch zurück und zählen! ;)

    AntwortenLöschen